Altrheinschützen 1950 e.V.


Angler-Umzug durch Ginsheim

 

In der Katasterkarte und Beschreibung der Grenze der Gemarkung Ginsheim, bearbeitet durch den Großherzoglichen Katastermeister Becker in den Jahren 1846-1850, ist in der Bleiau ein zum Anwesen des Johannes Mähn gehörendes „Schützenhaus“ mit Scheuer und Viehstall eingezeichnet.

Der aus Laubenheim stammende Mähn wird schon im Jahr 1842 als ein in der Bleiau lebender Ortsbewohner erwähnt, und im Ginsheimer Ortsbürgerregister aus dem gleichen Jahr wird er als Leinenweber angeführt. Später ist Mähn als Besitzer einer Schiffsmühle in Erscheinung getreten.

Aus dem Jahr 1862 ist im Einwohnerregister ein Martin Schmitt als Besitzer des Hauses in der Bleiau eingetragen. Im Brandkataster aus 1873 ist das Gebäude als Wohnhaus und 1891 als Arbeiterwohnung des MAN-Werkes Gustavsburg verzeichnet. Ob dieses „Schützenhaus“ schon vor 1846 von Ginsheimer Schützen benutzt wurde, darüber bestehen keine gesicherte Information.

Laut Werner Wabnitz wurde 1590 der erste Schützenverein im Kreis Groß-Gerau, der zweite aber 1862 in Rüssels-
heim gegründet. Falls das „Schützenhaus“ in der Bleiau 1846 tatsächlich zu einem Ginsheimer Schützenverein gehört haben sollte, dann wären die heutigen Altrheinschützen die Nachfolger des zweitältesten Schützenvereins im Kreis Groß-Gerau.

Das in Ginsheim schon vor 1846 ein Schützenverein bestand, geht aus den Eintragungen des Pfarrers Wägner in der Kirchenchronik des Jahres 1846 hervor, in der der damalige Ginsheimer Pfarrer ausführlich den Verlauf des 100-
jährigen Kirchweihfestes schildert.

Nach den Überlieferungen von Wägner begann das eigentliche Volksfest in Ginsheim am vierten Sonntag im August 1846 nach dem Gottesdienst mit einem Umzug, „eingeleitet durch den Zug der Schützen im Dorf“.

Wägners Eintragungen besagen deutlich, dass 1846 die Ginsheimer Schützen den Festzug angeführt haben. Bestätigt wird die Existenz der Ginsheimer Schützen in einer Genehmigungsschrift von 1850 der Großherzoglich-Hessischen Regierungskommision

In dem am 05. September 1850 von Regierungskommissar Stark unterzeichneten Akt wird darauf hingewiesen, dass der Gustavsburger Gastwirt Philipp Schneider neben seinem Hofrat einen Scheibenschießstand errichten darf. Der genannte Hof war die 1834 gebaute Posthaltestation „Zur Gustavsburg“, das spätere „Haus Prizelius“ in der alten Darmstädter Landstraße 1, heute Kolpingstraße 9 – damals das zweitälteste Gebäude in Gustavsburg.

Dieser Scheibenschießstand und die mächtigen Scheunen und Nebengebäude standen wahrscheinlich zwischen Maindamm und Burggraben. Der schon vor 1846 bestehende Ginsheimer Schützenverein hat am November 1862 seine Statuten ausgearbeitet und dem Großherzoglichen Kreisamt Groß-Gerau zur Genehmigung vorgelegt.

Das Kreisamt erteilte die Genehmigung am 01. April 1863 mit einigen Auflagen. Danach mussten die Ginsheimer Vereinsmitglieder und die auswärtigen Teilnehmer bei den veranstalteten Scheibenschieß-Wettkämpfen einen
gültigen Jagdwaffenpass besitzen.

Am 21. Juli 1863 wurde von der gleichen Behörde die Benutzung des vereinseigenen Schießplatzes genehmigt. Der alte Gustavsburger Schießstand musste wegen Brückenbauarbeiten auf der Mainspitze aufgegeben werden. Der neue Schießplatz des Vereins, der mit einer „Schießmauer“ geschützt war, wurde 1863 in Ginsheim hinter dem damaligen Ortsdamm (in der heutigen Ringstraße) gebaut.

Als am 03. Juli 1865 der Ginsheimer Lehrer Straub sein 50jähriges Jubiläum feierte, bekam er vom Gesangverein, vom Schützenverein und vom Turnverein einen kostbaren Silberpokal als Geschenk überreicht.

Dieser Pokal enthielt die eingravierte Inschrift „Zum Andenken unserm lieben Lehrer J. Straub zu seinem 50jährigen Dienstjubiläum. Gewidmet von dem Gesang-, Turn und Schützenverein zu Ginsheim, am 03. Juli 1865“ und zählte alle Vereine in Ginsheim aus dem Jahr 1865 auf.

Nach dem Krieg von 1870/71 gingen in vielen Dörfern die Schützen und Kriegervereine ineinander auf. Da über den Ginsheimer Schützenverein später keine Unterlagen existieren, gehen wir davon aus, dass zwischen 1872 und 1880 der Ginsheimer Schützenverein im neugegründeten Militärverein aufgegangen ist.

1880 belegt ein Gesuch des Vereins vom 23. Januar an die Kreisbehörden, in dem die Ginsheimer Schützen um die Erlaubnis bitten, bei der Beerdigung der verstorbenen Vereinsmitglieder Ehrensalven abgeben zu dürfen, erneut die Existenz des Ginsheimer Schützenvereins.

Der Ginsheimer Militärverein beteiligte sich mit zwanzig Mitgliedern am 06. Dezember 1889 am Aufmarsch der Militärvereine aus der Provinz Starkenburg. Dieser Aufmarsch wurde zu Ehren des Kaisers Wilhelm II. in Darmstadt organisiert.

1890, als in Ginsheim ein Denkmal zur Erinnerung an den Krieg von 1870/71 gegen Frankreich eingeweiht wurde, spendete der örtliche Militärverein unter der Leitung von Philipp Hauf 150 Mark für den Denkmalbau; in der Denkmalurkunde werden die Altrheinschützen nicht erwähnt.

Im Dezember 1918 musste der Ginsheimer Militärverein unter der Leitung von Friedrich Eitel seine „Ausrüstung“ (dreizehn Gewehre) den französischen Besatzungstruppen überlassen. Nach dem 1. Weltkrieg wurde in Ginsheim neben dem Militärverein ein „Marineverein“ gegründet. In Gustavsburg wurde schon vor dem 1. Weltkrieg ein Militärverein gegründet, dessen Vereinsfahne aus dem Jahr 1914 im Heimatmuseum in Ginsheim aufbewahrt wird.

Nach dem 2. Weltkrieg gründeten die Ginsheimer Schützen unter der Leitung von J. Berkau die "Altrheinschützen-Garde“, die mit ihren bunten Gardeuniformen lange Zeit Höhepunkte der Ginsheimer Fastnachtveranstaltungen waren.

Bereits bei dem alten Schützenverein wurden die karnevalistischen Traditionen hoch gehalten. Nach Informationen von Werner Wabnitz haben einige Mitglieder des Ginsheimer Schützenvereins bereits 1894 unter der Leitung des Schlossers Adam Dreyer einen Karnevalverein in Ginsheim gegründet. Die alten Karneval- und Schützentraditionen wurden 1950 von den Ginsheimer Altrheinschützen unter der Leitung von Johann Berkau wiederbelebt.

Das Engagement der Altrheinschützengarde ging 1950 über die närrische Zeit hinaus und es wurde erstmals ein Sommernachtsfest als Heimat- und Altrheinfest ausgerichtet. Iim Jahr 1955 haben die Altrheinschützen ihr Sommer-
preisschießen um den Königspokal im Hof der Gaststätte Schäfer ausgetragen.

1956 wollten die Gardisten nicht nur zur Fastnacht mit Holzgewehren marschieren. Im Garten hinter dem Haus des Garde-Vorstandsmitgliedes Georg Bender, in der Ginsheimer Friedrich-Ebert-Straße, wurde in Selbsthilfe ein kleiner Schießstand eingerichtet. Von 1958 bis 1970 leistete der "Schießstand im Gemüsegarten" der Altrheinschützengarde gute Dienste und stand kostenlos zur Verfügung.

Im November 1957 traten die Ginsheimer Altrheinschützen dem Schützenkreis Groß-Gerau bei. Bei den Gaumeister-
schaften 1964 wurde ein Ginsheimer Schütze namens Werner Kreisschützenkönig.

Der Wunsch der Altrheinschützen nach einem modernen Schießstand gestaltete sich als ein recht schwieriges Unter-
fangen. Der unter der Führung von Karl Bender zuerst geplante Platz "Im Bansen" wurde aufgrund der Hochwasser-
gefahr wieder verworfen.

Mit ihrem neuen Vorsitzenden Gerhard Kiesel starteten die Altrheinschützen ihren ersten Versuch in der Nähe des Bischofsheimer Sportplatzes am "Ginsheimer Sand". Als die Fundamente dort fertig waren, wurde die Genehmigung für den Weiterbau verweigert.

Der zweite Versuch erfolgte auf dem Gelände neben dem "Birkendämmchen". Die Genehmigung der Gemeinde lag vor und die Schützen betätigten sich als Maurer. Es standen schon die ersten Mauern und die Altrheinschützen hatten mehrere hundert Arbeitsstunden geleistet, da starteten Anwohner eine Unterschriftensammlung gegen diesen Schießstand. Daraufhin wurde von der Gemeinde Ginsheim die Genehmigung wieder entzogen. Kurz darauf erhielten die Schützen jedoch ihr heutiges Gelände im "Birkenwäldchen".

Bis Dezember 1971 entstand ein 10-Meter-Schießstand mit 16 Schießbahnen. 2 Jahre später waren 12 Pistolenstände auf 25 Meter fertiggestellt. "Das war unser bester Mann", erinnerte sich der damalige Vorsitzende Gerhard Kiesel an den engagierten Einsatz von Nico Tommasone, der als Bauführer mehr als eintausend Arbeitsstunden leistete. Die Tommasone-Brüder Nico und Leo, Gerhard Kiesel, Georg Bender, Heinz Barth, Wolfgang Gattinger, Edgar Ullrich, Hans Metzger, Eberhard Wehling und Richard Saul gehörten zu den Mitgliedern, die sich in diesen Jahren besonders verdient machten.

Die Ginsheimer Erfolge auf Kreisebene wurden 1966 von Rainer Gerhard, Horst und Peter Armann, Karl-Heinz Hebel und Gerhard Kiesel weitergeführt. In den achtziger und neunziger Jahren wurden die Altrheinschützen durch Sportler wie Edgar Ullrich, Helene Müller, Anita Farys, Nico Tommasone und Walter Massing weit über Hessens Grenzen hinaus bekannt.

Der erfolgreichste Schütze in der Vereinsgeschichte ist Walter Massing, der mehrfache Welt- und Europameister mit dem Perkussionsgewehr und der Luntenschlossmuskete, Europa-Rekordhalter mit der Luntenschlossmuskete, mehrfacher Deutscher Meister mit dem Perkussions- und Steinschlossgewehr, Deutscher Rekordhalter mit dem Perkussionsgewehr, mehrfacher Mannschafts-Welt- und Europameister mit dem Vorderladergewehr und Sportler des Jahres 2000, 2002 und 2004 im Kreis Groß-Grau wurde.

In Anerkennung seiner Leistungen wurde ihm 2001 die „Sportplakette des Landes Hessen“ verliehen. Nach Johann Berkau führte Georg Bender, nach ihm sein Sohn Karl Bender und später Rudi Theis die Altrheinschützengarde. Der Name des Vereins wurde 1976 unter der Leitung von Gerhard Kiesel in Altrheinschützen abgeändert. Zwischen 1982 und 2000 standen Waldemar Müller, Ernst Klein und Franz-Josef Kerber der Vereinsführung vor.

1986 wurde der Ginsheimer Franz-Josef Kerber in Anerkennung seiner Leistungen als Sportleiter der Altrheinschützen in den Vorstand des Schützengaues Starkenburg gewählt. Kerber ist seit 1998 Gauschützenmeister des Kreises Starkenburg und Vorderlader-Landesreferent im Hessischen Schützenverband.

Zwischen 1990 und 2000 hat der als internationaler Kampfrichter bekannte Franz-Josef Kerber den Verein geleitet. Seine Nachfolger waren Norbert Obenauer und Wolfgang Gattinger der seit 2004 den Verein leitete.

Aktuell (Mai 2012) ist Dirk Stanke der 1. Vorsitzende der Altrheinschützen.


Literaturhinweise:

  1. Das Leben in Ginsheim-Gustavsburg im Wandel der Zeit (2005) - Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg
  2. Werner Wabnitz - Homepage von Werner Wabnitz