Neues vom Stadtschreiber...


Ginsheimer Faselstall - Leihgabe vom HVV Ginsheim

 

Der Ginsheimer Faselstall

(von: Hans-Benno Hauf, Stadtschreiber in Ginsheim-Gustavsburg - veröffentlicht im Februar 2022)

Diesen Faselstall gibt es schon lange nicht mehr. Er befand sich in der Frankfurter Straße, dort wo sich heute der Kinderspielplatz befindet.

Doch was bedeutet das Wort „Fasel“? Im Duden ist als Erläuterung zu lesen: das Zuchttier. Im Faselstall[1] erfolgte also die gemeindeeigene Vatertierhaltung. Und die ist in Ginsheim ausweislich alter Schriften schon lange nachweisbar.

Das Faselvieh (Bullen, Eber, Ziegenböcke) war in Privatbesitz von mehreren Bauern und Gutshöfen, bis 1896/97 der Faselstall gebaut wurde. Schon 1449 wird ein Ginsheimer namens Seibel mit einem Gulden bezahlt, weil er den Gemeindezuchtbullen in den Stall gebracht hatte. Und 1558 sind Zuchtbullen- und Eberhaltung in Rechnungslegungen des Bürgermeisters aufgeführt.

1784 erwähnt Landgraf Max Ludwig von Hessen das Ginsheimer „Faßel-Vieh“. 1834 erstellt ein Schreiber ein Heberegister für das Faselvieh in Ginsheim, unterschieden nach Muttervieh, Namensliste der Besitzer, Anzahl der gedeckten Kühe und Namen der 105 Viehbesitzer.

1856 muss der Bürgermeister dem Kreisamt über die Anschaffung eines Faselochsen berichten. 1887 attestiert der Kreisveterinärarzt dem Peter Daum die „Beschädigung“ dessen Kuh durch den Gemeindezuchtbullen.

Im September 1891 brannte nachts, verursacht von einem Nachtlager suchenden Stromer, die Pfarrscheuer ab. Wegen großer Gefahr für die Stallungen des Ph. Stahl I. in unmittelbarer Nachbarschaft, wo das Gemeindefaselvieh stand, musste dieses in eine Seitengasse der Rheinstraße evakuiert werden. 1918 brandversichert die Gemeinde drei Bullen, einen Eber und zwei Ziegenböcke.

Mit Wirkung zum 1. April 1919 legt der Gemeinderat die Vergütung des Faselwärters neu fest, 1926 schließen die Gemeinde und Phil. Horst über die Faselviehhaltung einen Vertrag. Noch kurz vor der Eingemeindung nach Mainz erstellt die Gemeinde im Dezember 1929 eine Statistik zur Faselhaltung.

Beim Verkauf eines Faselochsen mit einem Gewicht von 20 Zentnern erzielt die Ortsverwaltung im Oktober 1934 vierhundertfünfund-siebzig Mark. 1952 kauft der Gemeindevorstand zwei Ziegenböcke für den Faselstall, zwei Jahre zuvor kostet ein angeschaffter Eber 400 Mark, 1953 ein Faselbulle 1745 Mark. 1960 betragen die Deckgebühren für Rinder 14, für Schweine 12 und für Ziegen 2,50 Mark.

Am 15. Oktober 1970 wird die Schließung des Faselstalls wegen der hohen Unterhaltungskosten und der neuen Möglichkeiten der künstlichen Besamung beschlossen.

Noch bis in das Jahr 2012 waren im Gemeindehaus Gelder für die Vatertierhaltung eingeplant und wurden Zuschüsse ausgezahlt. Auch künstliche Besamungen gibt es in Ginsheim-Gustavsburg inzwischen nicht mehr.

Noch bis in das Jahr 2012 waren im Gemeindehaus Gelder für die Vatertierhaltung eingeplant und wurden Zuschüsse ausgezahlt. Auch künstliche Besamungen gibt es in Ginsheim-Gustavsburg inzwischen nicht mehr.

Übrigens: 1908 beklagt der Bürgerverein Gustavsburg die geplanten Haushaltsausgaben für die Unterhaltung des Faselviehs, des Sprungplatzes, für den Kuhhirten und den Gänsehirten in Höhe von 4400 Mark, wo doch in der Filiale Gustavsburg nur noch überwiegend Arbeiter und Beamte wohnhaft seien und fordert zumindest teilweise eine Refinanzierung durch sogenannte Sprunggelder.

die neue Sonnenuhr (2014)

1913 erstellen die Maurer Georg Fr. Bender, Peter Mathes, Ph. Hübner und Georg Bender eine Mauer im Faselstall und verewigen sich durch Einmauern einer Tafel mit dem Spruch „Hoch die Sozialdemokratie! Glück dem Finder“, gefunden beim Abbruch des Faselstalls.

In den 50er Jahren kam es in der Gemeindevertretung kam es wegen des Fasel-Ebers zu einer Kontroverse[2] . Damals waren zwei Eber eingegangen, ein dritter auf Kosten der Gemeindekasse angeschafft worden.

Ein Gemeindevertreter: „Ich habe gehört, der neue Eber wäre auch schon wieder krank, kann man den nicht versichern?“

Die belehrende Antwort:“ Der neue Eber ist nicht krank, der ist sogar willig- nur etwas träge!“


Quellen:

  1. oder auch Sprungstall
  2. Otto Wenke, Chronik S. 93