Ginsemer Kerb
so feierte man in Ginsheim die Kerb
(von Georg Dauborn† sen.)
Wenn ich, wie im vorigen Jahr für die Kerwezeitung, einiges über unser Heimatfest schreiben soll, so möge mir gestattet sein zu erzählen, wie man die Ginsheimer Kerb in meiner Jugendzeit, also in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg feierte. Dazu ist aber erforderlich, dass ich zunächst einmal etwas über das damalige Ginsheim und seine Bevölkerung sage.
Ginsemer Kerweborsch von 1938
Unser Heimatort hatte um die Jahrhundertwende etwas mehr als 2000 Einwohner. Die Ortsgrenzen waren im Westen der Rhein, im Süden die Stegstraße, im Osten und Norden die Neckarstraße, Pflugstraße (genannt Eselsgaß) und der Ortsdamm, das sogenannte „Schnecko´s Dämmche“.
Dieser Damm verlief vom Holzweg (heute Frankfurter Straße) nach der Gustavsburger Chaussee (vor der Post) weiter entlang der Anlage am Friedrich-Ebert-Platz, Ringstraße zum Rheindamm. Dort stand auch das einzige Haus der Ringstraße, die „Villa“ des Herrn Pahl, der heutige Kindergarten.
Dieses Schecko-Dämmche spielte in unserer Kinderzeit eine ganz besondere Rolle. Anziehungspunkte waren dort der Kohlenhof der Firma Schnecko, dabei ein Schuttablageplatz (genannt Schießloch), wo es immer etwas zu sehen gab und dann die sogenannte „Laumekaut[1]“, eine Lehmgrube neben dem Damm, etwa dort wo heute Café Ambach gelegen ist.
Ein weiterer Spielplatz waren die „Klauern“, ein Wäldchen, das hinter dem jetzt neu gebauten Pumpwerk am Rheindamm nach Gustavsburg zu liegt und das sich anbot, dort „Räuber und Gendarm“ zu spielen.
Im Winter waren wir dann am „Fischweier“ hinter dem Turnplatz an der Stegstraße zu finden, wo wir auf dem Eis „Biege[2]“ machten, ein Spiel nur für ganz Verwegene, das aber oft mit nassen Hosen endete. Und nun sei noch ein Kuriosum genannt: In der Schwarzbach, an der Fahrt, etwas oberhalb des „Bauern-Brückelche“ lernten alle Ginsemer Buwe schwimmen. Oh schöne Zeit.
Aber nun muß ich doch wieder auf unsere Ginsheimer Kerb zurückkommen. Da erinnere ich mich ganz besonders an das letzte Kirchweihfest vor dem ersten Weltkrieg.
vor der Gaststätte Zimmermann 1939
Die Kerweborsch Jahrgang 1894 hatten damals ihr Stammquartier in meinem Elternhaus Gasthaus „Zur Deutschen Eiche“ aufgeschlagen und man traf sich schon ein ganzes Jahr vor dem Fest jeden Samstag regelmäßig im kleinen Nebenzimmer.
Ich darf wohl heute bescheinigen, dass es ein ganz besonders trinkfester Jahrgang war und dass man auch in Bezug auf Essen keine Kost verachtete.
So manche Portion Ochsenmaulsalat, Rollmops oder Handkäs mit Musik ist den Weg alles Irdischen gegangen. Aus diesem Grund hatte sich meine Mutter auch gut mit Esswaren für die drei Kerwetage vorgesehen.
Als aber am Kerwesamstag Abend der Kerwewagen in unserem Hof dekoriert war und als man sich morgens gegen drei Uhr auf den Heimweg machte, waren auch Schweine- und Kalbsbraten sowie Koteletts und Rippchen aufgegessen und diese köstlichen Sachen mit 3 Fass Bier hinuntergespült, sodass sie uns am Kerwesonntag früh mit neuem Essbaren von den Metzgereien versorgen mussten.
Getanzt wurde am Sonntag und Montag jeweils von nachmittags bis morgens 4 Uhr in 4 Tanzlokalen und zwar im jetzigen Kino Dauborn, im Saalbau Thomas (jetzt Sparkasse), im Saale Meixner, Neckarstraße, und bei Schäfer, Hauptstraße.
am Kerweplatz um 1950
Am Dienstag abend war dann wieder alles auf dem Kerweplatz versammelt, der damals in der Hauptstraße war und dabei waren es nicht nur die Kinder, die „Reitschul“ fuhren. Die Familie Schneider, Besitzer des Karusells und der Schiffschaukel waren in Ginsheim bekannte und gern gesehene Leute.
Dass Ginsheim in Bezug auf Fremdenverkehr sehr gastfreundlich war, sei am Rande vermerkt. Besonders an den Kerwetagen waren wie jedes Jahr alle nah und weiter Verwandten zugegen. Alle Einwohner von 17 bis 70 waren beim Tanz versammelt. Es war ja unsere Kerb und auf die hatte man sich das ganze Jahr gefreut.
Dementsprechend waren auch die Vorbereitungen. Für die weibliche Jugend war das neue Kerwe-Klaadcher fällig, es wurden einige 100 Quadratmeter „Kwetsche-Kuche“ gebacken und wo es notwendig war wurden schon vor der Kerb Tore, Fenster und Fensterläden neu gestrichen, sodaß sich unser Dörfchen den Fremden an den höchsten örtlichen Feiertagen wie „geleckt“ präsentierte.
Scharenweise kamen dann auch die „Auswärtigen“ von Bischofsheim zu Fuß und mit den Bootchen aus Mainz, um sich in unseren damals siebzehn (siehe unten) Gastwirtschaften an Hausmacher Worscht, Schinken und Handkäs`gütlich zu tun und dazu sorgte noch der selbstgekelterte Eppelwoi, das Schoppenglas zu 15 Pfennig für die notwendige Stimmung.
Und wie man hörte war dieses Getränk auch ein vorzügliches Mittel gegen Hartleibigkeit. Alles in allem, es war halt nur aamol Kerb im Jahr und die wurde ausgiebig gefeiert.
Wenn unser Heimatfest in der heutigen Zeit nun etwas anders gefeiert wird, die Massenmedien Rundfunk und Fernsehen sowie eine neue gesellschaftliche Zusammensetzung tragen dazu bei, so sind doch die alten Bräuche noch erhalten geblieben und darüber sollten wir uns freuen.
Wenn uns also unsere Kerweborsch bei ihrem Umzug am Kerwe-Sonntag zurufen: „Wem gehört die Kerb?“ dann wollen mit ihnen antworten:“Unser!“ und dabei möge es auch für die Zukunft bleiben.
Anmerkungen:
Laumekaut: Abfallgrube
Biege mache: ein Spiel auf noch dünnem Eis, das Eis zum schwingen/schwanken bringen bis es reißt, ohne dass man einbricht
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