Wilhelm Blum

ev. Pfarrer und Dekan
* 10. Februar 1895, Darmstadt - † 15. November 1981, Ginsheim


Bildrechte: Wolfgang Blum

Zum Tode von Pfarrer Wilhelm Blum schrieb der Mainzer Anzeiger am 17. November 1981:

Der gute Hirte ist heimgekehrt. Gestern läuteten die Glocken der evangelischen und kathol. Kirchen gemeinsam um den Bürgern zu künden, dass der allseits geachtete und beliebte Pfarrer W. Blum am 15. November im Alter von 85 Jahren gestorben ist.

Der von seinen Kollegen liebevoll Vater des Dekanats [1] genannte Pfarrer, der, wie Bürgermeister Brunner 1977
sagte, die Ökumene [2] praktizierte in einer Zeit, als diese noch unbekannt war, versah in den Jahren 1956 bis 1965 das Amt des Dekans im Dekanat Groß-Gerau.

Wilhelm Blum hat 55 Jahre lang in Ginsheim und in den benachbarten Orten Gottesdienste gehalten und gepredigt, 2.222 Kinder getauft und 2.137 konfirmiert, 1.470 Trauungen und 2.022 Beerdigungen zelebriert, kranke Menschen Tag für Tag daheim oder in Krankenhäusern besucht und dabei nie gefragt, ob es evangelische oder katholische Mitbürger waren.

Pfarrer Wilhelm Blum wurde in Darmstadt geboren, besuchte das dortige Realgymnasium und studierte nach dem Abitur an den Universitäten Tübingen und Marburg Theologie.

Im Ersten Weltkrieg diente er von 1915 bis 1918 als Soldat in Frankreich. Erst 1920 legte er in Gießen sein erstes Examen ab, 1921 bestand er in Friedberg das zweite Examen.

Seine erste Pfarrstelle erhielt er in Gadernheim im Odenwald, von wo er 1925 nach vierjähriger Tätigkeit nach Ginsheim kam. Der neue Pfarrer kam in eine Gemeinde, die durch hohe Arbeitslosigkeit und zunehmende Kirchen-
feindlichkeit geprägt war. Dennoch konnte er durch Gründungen von Gruppen und Vereinen das religiöse Leben intensivieren. So entstanden Jugendvereine der konfirmierten Jungen und Mädchen (1926) sowie der Posaunenchor (1927).

Neben den seelsorgerischen Tätigkeiten begann 1926 unter der Leitung von Pfarrer Wilhelm Blum die Renovierung der evang. Kirche in Ginsheim, 1929 wurde ein neues Geläute aus 3 Glocken angeschafft und in den Jahren 1934-1935 wurde auf dem alten Friedhof neben der Kirche ein Gemeindehaus errichtet.

Nach der Machtergreifung 1933 versuchten die National-
sozialisten, die Kirche für ihre Zwecke zu mißbrauchen,
und schon in kürzester Zeit wurde alles unternommen, um
die Jugend von der Kirche fernzuhalten.

Der zwiespältigen Erziehung der Kinder suchte der Pfarrer durch Erweiterung des kirchlichen Unterrichtes zu begegnen und distanzierte sich vom "Deutschglauben" der Nazis.

Als die Nationalsozialisten den Katholiken, die seit 1936 ihre Gottesdienste in einem Wirtshaussaal feierten, dies verboten hatten, bot Pfarrer Blum ihnen das evangelische Gemeinde-
haus für den Gottesdienst an.

Außer in Ginsheim hat Wilhelm Blum während des Krieges und bis Ende 1945 auch in Bischofsheim und Gustavsburg Dienste in der Kirche geleistet. Am 29. Januar 1942 mussten von den drei im Jahre 1929 geweihten Glocken die zwei größten für Kriegszwecke abgeliefert werden, und in der Nacht vom 24. auf den 25. April 1944 brannte die Kirche infolge eines Luftangriffs der britischen Streitkräfte auf Ginsheim bis auf die Grundmauern nieder.

Das Haus unserer Heiligkeit und Herrlichkeit, darin Dich unsere Väter gelobt haben, ist mit Feuer verbrannt, und alles, was wir Schönes hatten, ist zu Schande gemacht, predigte nach Jesaja 64,11 am Tag nach der Bombennacht Wilhelm Blum und er begann sogleich mit den ersten Vorbereitungen für den Wiederaufbau der Kirche.

Das wiederaufgebaute Gotteshaus wurde am 06. Dezember 1953 durch den Kirchenpräsidenten Martin Niemöller geweiht; der größte Teil der Baukosten in Höhe von 250.000 Mark wurde durch freiwillige Spenden der Gemeinde-
mitglieder aufgebracht.

Parallel zum Wiederaufbau der Kirche arbeitete Pfarrer Blum zielstrebig an dem inneren und äußeren Wiederaufbau seiner Gemeinde und stellte weiterhin das evangelische Gemeindehaus der katholischen Kirchengemeinde zur Verfü-
gung. Zur Einweihung der katholischen Kirche am 05. Dezember 1954 zitierte er als Grußwort den Bibeltext:

Siehe, wie fein und lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen.

Bundesverdienstkreuz und Schulterband (Urheber: Wikipedia - gemeinfrei)

Bundesverdienstkreuz und Schulterband

Er fand in dieser Zeit immer neue Wege in der Gemeindearbeit: so organisierte er am 14. 07 1957 erstmalig einen "Campinggottesdienst" für die Bade- und Campinggäste auf der Nonnenaue.

Statt mit Kirchenglocken lud der Posaunenchor mit Chorälen zu dieser ungewöhnlichen Feier ein.

1959 organisierte er mit 45 Erwachsenen und fünf Kindern eine Gemeindefreizeit in Ramsau. Zusammen mit der Bläsergemeinschaft Mainspitze hielt Pfarrer Blum in Spanien nicht genehmigte Gottesdienste für spanische evangelische Christen.

Am 29. September 1968 hielt Pfarrer Blum als diensttuender Gemein-
depfarrer seinen letzten Gottesdienst in Ginsheim. Er verbat sich jegliche Art von Ehrung und ging still aus dem Haus, blieb aber weiterhin insbesondere in der Alten- und Krankenbetreuung tätig.

Für besondere Verdienste haben am 14.09.1977 alle Fraktionen der Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg gemeinsam beantragt, dass Pfarrer Blum vom Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen werden solle.

Die gesamte Gemeinde hat sich am 24. Oktober 1978 mitgefreut, als ihm das Verdienstkreuz im Ginsheimer Bürgerhaus überreicht wurde.

Pfarrer Wilhelm Blum verstarb am 15. November 1981. Nach einer würdigen Trauerfeier in Ginsheim wurde er nach Darmstadt auf den Alten Friedhof überführt.


Literaturhinweis: "Das Leben in Ginsheim-Gustavsburg im Wandel der Zeit", "deutsche Wikipedia"

  1. Dekanat: Amt oder der Bezirk eines Dekans oder Dechanten (kirchliche Verwaltungseinheit)
  2. Ökumene: Einigung und Zusammenarbeit der verschiedenen christlichen Kirchen