Die Ginsheimer Schulen


 

Martin Luther (Lizenz: gemeinfrei, Wikipedia)

Martin Luther (1483-1546)

Die Reformation des Schulwesens

Bis in der Zeit nach 1500, also im 16. Jahrhundert, war die Kunst des Lesens und Schreibens nur den Klostergeistlichen vorbehalten und nur Mönche und Nonnen erteilten den Unter-
richt. Frauen waren von diesem Bildungswesen grundsätzlich ausgeschlossen.

Die Reformation (1517-1648) des Schulwesens wurde in Deutschland überwiegend von M. Luther (und auch Philipp Melanchthon) angestoßen.

Ihr Beginn wird allgemein auf 1517 datiert, als Martin Luther seine 95 Thesen auf die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen haben soll.

Mit Hilfe der Chronik der Ginsheimer evangelischen Kirche
kann man das Schulwesen in Ginsheim bis zum Jahr 1578 zurückverfolgen.


Der Beginn des Ginsheime Schulwesens

Wie man dieser Chronik entnehmen kann, gründete 1578 der damalige Pfarrer Wilhelm Rommel die erste Schule in Ginsheim. Zu dieser Zeit hatte Ginsheim etwa 300 Einwohner.

Wie man aus der Kirchenchronik entnehmen kann, schreibt er, er habe mit dem Schulehalten begonnen und 'schon vier deren Knaben bei mir'. Leider sagt die Kirchenchronik nichts darüber aus, wo sich diese erste Schulstube befand. Man kann jedoch wohl davon ausgehen, dass sein Amtszimmer im Pfarrhaus diese erste Schulstube war.

Da diese vier Jungen von der Schulstube aus die anderen Kinder beim Spielen beobachten konnten, und dies viel schöner als das Lernen war, kamen sie bald nicht mehr zum Unterricht. Vielleicht lag es auch daran, dass sie den Eltern bei der Feldarbeit helfen mussten und daher keine Zeit mehr für die Schule hatten. Pfarrer Rommel vermerkte daraufhin in seiner Kirchenchronik die Jungen wären nicht mehr gekommen, die Schule sei leider eingegangen.

1595 nahm der damalige Schultheiß (Bürgermeister) Philipp Orth die Sache selbst in die Hand und sorgte für eine Schule.

Dabei ging es ihm weniger darum, dass die Kinder das Lesen, Schreiben und Rechnen erlernten, sondern dass sie besser erzogen werden. Die Kirchenchronik führt über den Grund zur Errichtung einer Schule aus: ...dieweilen die Kinder außer übel erzogen und nur Lust zur Gassenbüberey lernen und treiben.

Gustav II. Adolf (Lizenz: gemeinfrei, Wikipedia)

Gustav II. Adolf (Schwedenkönig)

Der Schultheiß Philipp Orth sorgte auch für einen Lehrer: es war Heinrich Pauli, der von Frankfurt nach Ginsheim geholt wurde. Er war außerdem der erste und einzige Lehrer, den
die Gemeinde einstellte. Philipp Orth kam 1595 und blieb bis 1596 in Ginsheim. Danach war die Schule teilweise unbesetzt
und von 1598 bis 1600 ganz geschlossen, da man sich in der
Gemeinde über die Besoldung eines Lehrers nicht einigen konnte.

Vorübergehend betreute auch Pfarrer Nikolaus Gerheum die
dreißig Knaben und auch einige Mädchen, die das Lesen und Schreiben erlernen wollten. Bis 1634 unterrichteten folgende Lehrer die Ginsheimer Schüler:

  • 1600 - 1607: Konrad Rupp aus Grünberg
  • 1607 - 1634: Johann Christoph Weibelius aus Gundernhausen

Von 1634 bis 1642, mitten im Dreißigjährigen Krieg[1], war
die Ginsheimer Schule unbesetzt, da Ginsheim infolge des schwedischen Kriegswesens [2] nicht nur verwüstet, sondern
auch menschenleer war
.

Neben dem Unterrichten der Schüler wurden von den Lehrern außerdem noch weitere Dienste erwartet: bevor Ginsheim 1746 eine neue Kirche und damit zum erstel Mal auch eine Orgel bekam, musste der Lehrer bei Gottes-
diensten oder gottesdienstlichen Handlungen als Vorsinger den Gemeindegesang führen. Mit der neuen Orgel wurde er dann ab 1746 auch noch als Organist verpflichtet.

Bild von ca. 1930: Blick vom Altrhein auf das alte Pfarrhaus in der Rheinstraße

Von 1642 bis 1842 waren ca. 15 weitere Lehrer in Ginsheim beschäftigt. Bezüglich der Namen dieser Lehrer und die Zeiten, in denen sie in Ginsheim als Lehrer tätig waren, verweisen wir auf das Buch des Heimat- und Verkehrsvereins Ginsheim-Gustavsburg e.V. (HVV) 1900-2000 - Schulgebäude in Ginsheim.

Leider wissen wir nicht, da es in keiner Chronik vermerkt ist, wo sich die erste Ginsheimer Schulstube befand.

Wir gehen jedoch davon aus, dass sie sich in der Rheinstraße Nummer 4 unmittelbar neben dem Pfarrhaus befand, zumal
zur damaligen Zeit der Pfarrer auch das Amt des Schulvor-stehers begleitete.


Das erste Schulhaus

Bild von 2012: das erste Schulhaus in der Hauptstraße 25 (heutiges Heimatmuseum) (Bildrechte: Jürgen Westhauser)

Bis 1842 war die Schülerzahl der einklassigen Schule so angestiegen, dass eine zweite Klasse her musste. Es müssen zu diesem Zeitpunkt etwa 100 Schüler gewesen sein, die in einer Klasse gemeinsam (alle Jahrgänge) unterrichtet wurden.

Nun wurde eine 2. Schulstelle geschaffen werden, damit aus ehemals einklassigen eine zweiklassige Schule wird. Da diese zweite Schulstelle noch keinen Klassensaal hatte, sah sich die Gemeinde gezwungen, für ein neues Schulhaus zu sorgen. Da die Gemeinde nur über begrenzte finanzielle Mittel verfügte und nicht genug Geld für den Bau einer neuen Schule vorhanden war, kaufte man ein altes Forsthaus (Fachwerkhaus), das zuvor im Raunheimer Wald stand.

Das Haus wurde an seinem Ursprungsort zerlegt, nach Ginsheim transportiert und in der Hauptstraße 25 in Ginsheim wieder aufgebaut. Das neue Schulhaus enthielt damals 2 größere Schulräume und Leerwohnungen im 1. Stock (für die Lehrer und Sitz des Gemeindebüttels). In diesem Gebäude befindet sich heute (2012) das Heimatmuseum, das
vom Heimat- und Verkehrsvereins Ginsheim-Gustavsburg e.V. (HVV) betreut wird.

Ab 1842 waren in dem neuen Schulhaus zwei und ab 1880 drei Klassen untergebracht. Ab 1842 waren folgende Personen „erste Lehrer“ in Ginsheim:

  • 1842 - 1867: Johannes Straub aus Stockstadt
  • 1867 - 1898: Jakob Beckenhaub aus Kleestadt (er war zuvor von 1865 - 1867 „zweiter Lehrer“ in Ginsheim)

Informationen zu den weiteren Lehrern könnt Ihr dem Buch des Heimat- und Verkehrsvereins Ginsheim-Gustavsburg e.V. (HVV) 1900-2000 - Schulgebäude in Ginsheim entnehmen.

Zu 2 Lehrern aus dieser Zeit möchten wir noch etwas anmerken:

  • 1842 - 1848: Justus Karl Weber aus Fränkisch-Crumbach („zweiter Lehrer“)
    Er war es, der am 1. August 1842 mit den Kerweburschen nach dem Kirchweihfest den 1. Ginsheimer Gesang-verein gründete. Die Gründung erfolgte im Anwesen Stahl, Rheinstraße 4.

  • 1848 - 1851: Georg Buxmann aus Reinheim
    Zitat aus der Schulchronik:
    Da er Wechselschulden hatte, entfernte er sich am 5. Juni 1851 heimlich aus Ginsheim und wanderte nach Amerika aus. Außer den Schulden hinterließ er in Ginsheim eine 18-jährige Frau, mit der er erst 10 Wochen verheiratet war.

1895 erhält die Ginsheimer Schule eine 4. Klasse im gemeindeeigenen Haus in der Hauptstraße 64 (direkt am Rhein-
damm). Die ersten 3 Klassen befinden sich weiterhin im Schulgebäude in der Hauptstraße 25.


Das neue Schulgebäude ab 1900

Bild um 1935: die alte Schule in der Schulstraße (Bildrechte: Freiwillige Feuerwehr Ginsheim/Rhein e.V.)

Es wurde nun Zeit, an den Bau eines größeren Schulhauses
zu denken. Die Gemeinde handelte rasch und begann 1899 mit dem Bau einer sechsklassigen Schule, dem heutigen (2012) Ginsheimer Rathaus.

Die Jahreszahl 1899 ist auf der Wetterfahne, die sich oben auf dem Schulturm dreht, zu lesen. Die neue Schule wurde am 7. 10. 1900 eingeweiht. An diesem festlichen Ereignis nahm die gesamte Gemeinde Anteil.

Pfarrer Ohly lud für den Schulvorstand und Bürgermeister Rauch für den Ortsvorstand zu den Feierlichkeiten ein.

Dem Programm dieser Einweihungsfeier konnte man u.a. folgendes entnehmen:


Festordnung

Die Festteilnehmer sammeln sich am Rheinufer vor dem Pfarrhaus um 1 1/2 Uhr. Daselbst Aufstellung des Festzuges. Um 2 Uhr bewegt sich der Festzug nach dem alten Schulhaus in folgender Ordnung:

I. Festzug

  1. Schulen von Gustavsburg und Ginsheim.
  2. Musik.
  3. Schulmädchen mit Schlüssel.
  4. Vertreter der Großh. Schulbehörde, Schulvorstand, Ortsvorstand, Kirchenvorstand und Ehrengäste.
  5. Bauleitung, Meister und Handwerker.
  6. Mitwirkende Gesangvereine.
  7. Gemeinde und sonstige Festteilnehmer.

II. Abschied vom alten Schulhaus

  1. Gesang: Männergesangverein.
  2. Abschiedsrede.
  3. Gesang der Schulkinder.
  4. Gebet.
  5. Gesang der ganzen Gemeinde.
  6. Zug nach dem neuen Schulhaus in oben gegebener Ordnung.

III. Feier am neuen Schulhaus

  1. Gesang der ganzen Gemeinde.
  2. Gebet.
  3. Gesang: Gesangverein Concordia.
  4. Festrede.
  5. Gesang: Gesangverein I.
  6. Gebet.
  7. Gesang der Schulkinder.
  8. Schlüssel-Übergabe. Läuten der Schulglocke.
  9. Gesang der ganzen Gemeinde.
  10. Einzug.
  11. Besichtigung der Räume.
  12. Pause bis 4 1/2 Uhr.

IV. Festessen

Bei Herrn Gastwirth Dauborn in der „Deutschen Eiche [3]“ um 4 1/2 Uhr. (Preis mit 1/2 Liter Wein 3 Mark)

V. Gesellige Vereinigung mit Concert

Nach dem Festessen von 6 1/2 Uhr an im Saale des oben genannten Gasthauses. Alle Gemeindemitglieder, auch Frauen und Jungfrauen, sind zur Teilnahme herzlichst eingeladen.

Die komplette Einweihungs-Festschrift findet Ihr in dem Buch des Heimat- und Verkehrsvereins Ginsheim-Gustavs-
burg e.V. (HVV) 1900-2000 - Schulgebäude in Ginsheim.


Zwischen 1903 und 1913 wird die Schule auf 8 Klassen erweitert. Da nun auch diese Schule bereits wieder zu klein
ist, wird im Schulhof eine Baracke aufgestellt und 2 Schulklassen darin untergebracht.

Ab dem 1. April 1916 stehen für diese 8 Klassen nur noch 3 Lehrer zu Verfügung, da die anderen Lehrer zu den Waffen gerufen wurden. 1918 dienten das Schulhaus und die Baracke den Besatzungstruppen, die in Ginsheim einzogen, als Quartier. Daher musste der Unterricht teilweise komplett ausfallen. Ab 1919 standen den 8 Klassen
die 3 oberen Säle der Schule zum Unterricht zur Verfügung.

Von 1922 bis 1960 entwickelte sich das Schulwesen in Ginsheim wie folgt:

  • 1922: Eröffnung der Mädchenfortbildungsschule (am 12.5.1922)
  • 1927: die durchschnittliche Klassenstärke beträgt 44 Schüler, die stärkste Klasse hat 62 Schüler
  • 1928: von 308 Schülern sind 275 evangelisch, 13 katholisch und 2 freireligiös
  • 1936: die Schule wird um 4 Säle, eine Aula, einer Lehrküche, einem Lehrerzimmer und einer
    Hausmeisterwohung durch einen Anbau in der Gartenstraße erweitert. Dieser Anbau wird am
    2. September 1936 eingeweiht
  • 1960: es werden 15 Klassen in den 10 Sälen der Schule unterrichtet
  • 1972: es waren nur noch die 1. und 2. Klasse. Die 3. und 4. Klasse waren mittlerweile in die neue
    Albert-Schweitzer-Schule umgezogen
  • 1975: im Sommer erfolgte eine Renovierung der freigewordenen Klassenräume
  • 1977: das Gebäude wird vom schulischen Betrieb freigestellt und wird nur noch als
    Ginsheimer Rathaus genutzt

Die Albert-Schweitzer-Schule (ab 1960)

Bild von 2012: Albert-Schweitzer-Schule (Bildrechte: Jürgen Westhauser)

Im Gemeinderat beriet man lange über eine nochmalige Erweiterung der bestehenden Schule, entschloss sich jedoch schnell für einen Neubau - zum Bau der Albert-Schweitzer-Schule

Geplant waren sechs Normalklassen, 1 Naturkunderaum mit Nebenzimmern, 1 Schulküche und einen Handarbeitsraum,
1 Hausmeisterraum, 1 Lehrerzimmer, 1 Schulleiterzimmer,
1 Lehrmittelzimmer, 1 Zimmer für die Bücherei sowie eine Turnhalle mit Nebenräumen.

Gebaut wurde die Schule nach den Entwürfen der Architekten Nowotny und Müller aus Offenbach. Von den Baukosten in
Höhe von 804.000 DM trug die Gemeinde 392.000 DM.

Den Namen erhielt die Schule durch die Initiative der Schüler der Abschlussklasse von 1959. Diese baten schriftlich den bekannten Urwaldarzt Dr. Albert Schweitzer um Zustimmung, die neue Schule nach ihm zu benennen. Nachdem dieser diesem Anliegen schriftlich zugestimmt hatte, wurde die Albert-Schweitzer-Schule am 22.10.1960 eingeweiht.

Bereits 1966 reichten die Unterrichtsräume für die mittlerweile 640 Schüler erneut nicht mehr aus, sodass die Albert-
Schweitzer-Schule in den Jahren 1970-1971 um weitere 5 Normalklassen, einer Großklasse,1 Werkraum mit Neben-
raum, 1 Vorbereitungs- und Sammlungsraum und 1 Mehrzweckraum erweitert wurde. Der damalige Architekt war
der Ginsheimer Architekt Willy Beckenhaub.

Im Mai 2002 erfolgte eine Sanierung des Gebäudes, das 4 Jahre andauerte und ca. 2,25 Millionen DM kostete.


Die Integrierte Gesamtschule Mainspitze (ab 1972)

Bild von 2012: IGS Mainspitze I. (Bildrechte: Jürgen Westhauser)

Im Jahr 1972 entstand für Ginsheim-Gustavsburg und Bischofsheim die „Integrierte Gesamtschule Mainspitze I.

In Gustavsburg und Bischofsheim liefen die Haupt- und Realschulen, in Ginsheim die Hauptschulen aus, und die Schüler zogen in die IGS um.

In Bischofsheim sollte zu einem späteren Zeitpunkt die „Integrierte Gesamtschule II.“ und auf dem Gelände IGS in Ginsheim-Gustavsburg eine gemeinsame Oberstufe gebaut werden.

Wie die Politiker 1976 feststellten, sollten die Schülerzahlen auf Dauer nicht weiter steigen sondern wieder stark sinken.

Außerdem wurde in Hessen die Schulpolitik äußerst kontrovers diskutiert. Dies hatte zur Folge, dass weder die zweite Gesamtschule noch die gymnasiale Oberstufe gebaut wurden. Für die Gesamtschulen an der Mainlinie entstand im Schulverbund die neue gemeinsame gymnasiale Oberstufe in Rüsselsheim.

Die letzten Schüler der auslaufenden Haupt- und Realschulen aus Ginsheim-Gustavsburg u. Bischofsheim - gleichzeitig die ersten der neuen Gesamtschule - wurden 1977 entlassen. Zu diesem Zeitpunkt erreichte die Schülerzahl 1370 Schüler.

1991/1992 wurde die IGS Mainspitze offiziell zur Ganztagsangebotsschule. Das Förder- und Betreuungskonzept sowie die Öffnung der Schule konnte dadurch erheblich erweitert werden.

2001/2002 wurde im Kreis Groß-Gerau die Schulsozialarbeit eingeführt. Besonders der Übergang von Schule in den Beruf wird von der Jugendpflege zusammen mit Lehrkräften intensiv betreut.

2003 ging nach über 30 Jahren Schulleitung Dieter Nerger in den Ruhestand. Die IGS Mainspitze wird zu diesem Zeitpunkt vom stellvertretenden Schulleiter Jürgen Wittemann geleitet.

2003/2004 erfolgte eine gründliche Sanierung der Gebäude der IGS Mainspitze.


Literaturhinweise:

  1. Chronik von Ginsheim-Gustavsburg der Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg von 1976
  2. 1900-2000 - Schulgebäude in Ginsheim - von Herbert Jack + Horst Seil (HVV Ginsheim-Gustavsburg)
  3. "Das Leben in Ginsheim-Gustavsburg im Wandel der Zeit" der Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg von 2005
  4. Deutsche Wikipedia

Fußnoten:

  1. Dreißigjähriger Krieg - deutsche Wikipedia
  2. Gustav Adolf II. (Schwedenkönig) und die Gustavsburg - deutsche Wikipedia
  3. Gasthaus „Deutschen Eiche“: ehemaliges Ginsheimer Kino mit Kinogaststätte in der Frankfurter Straße, Familie Dauborn